Dieses Land boomt trotz Coronakrise
Früher galt Bangladesch als Asiens Armenhaus. Nun wächst die Wirtschaft so stark wie nirgendwo sonst auf dem Kontinent. Für deutsche Unternehmen bieten sich neue Chancen.
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Warum Bangladesch trotz Coronakrise ein Wirtschaftswunder erlebt
Textilfabrik in Bangladesch, Foto: Solidarity Center, CC BY 2.0
Noch vor einem Jahrzehnt war es für Thomas Hoffmann schwer, in Bangladesch überhaupt einen Käufer für seine Strickmaschinen zu finden. Arbeitskräfte waren damals so billig, dass sich Anschaffung für kaum eine Fabrik gelohnt habe, erinnert sich der Manager, der die lokale Niederlassung des baden-württembergischen Maschinenbauers Stoll in Dhaka leitet. Doch die Geschäftslage hat sich gründlich geändert: Vor zwei Jahren wurde Bangladesch gemessen an der verkauften Stückzahl zum weltweit wichtigsten Absatzmarkt für das Unternehmen, das seine Maschinen in mehr als 70 Länder liefert. Hoffmann sieht weiterhin großes Potenzial: "Ich bin mir sicher, dass der Markt hier auch in den kommenden Jahren noch weiter wachsen wird", sagt er.
Die Erfahrungen des deutschen Managers stehen im Widerspruch zu dem Bild von Bangladesch, das sich im Westen festgesetzt hat: extreme Armut, Niedriglöhne und Naturkatastrophen haben lange Zeit die internationale Wahrnehmung des südasiatischen Staates geprägt. Doch der Ruf als Asiens Armenhaus ist nicht mehr länger zutreffend: Bangladesch hat sich in den vergangenen Jahren zum Boom-Staat entwickelt. Auch in der Coronakrise wächst die Wirtschaft des Landes deutlich stärker als in anderen Teilen der Region. Für den Aufschwung sind die guten Geschäfte mit Deutschland mitverantwortlich. Nun wirbt die Regierung gezielt um deutsche Investoren.
Mit seiner jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung präsentiert sich das 165-Millionen-Einwohner-Land vor internationalen Unternehmen als Klassenbester: Der Internationale Währungsfonds rechnet für das Krisenjahr 2020 mit einem Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent in Bangladesch – der mit Abstand höchste Wert in ganz Asien. Zuvor hatte die Wirtschaftsleistung des Landes seit 2011 jedes Jahr um mehr als sechs Prozent zugelegt. 2019 waren es sogar mehr als acht Prozent. Das Wirtschaftswunder am Golf von Bengalen dürfte dazu führen, dass die Vereinten Nationen im Februar empfehlen werden, Bangladesch von der Liste der am wenigsten entwickelten Länder zu streichen.
Am Indischen Subkontinent sorgt die Entwicklung für großes Aufsehen: Laut Daten des IWF überholte Bangladesch 2020 Indien beim Pro-Kopf-Einkommen. "Wenn ein Schwellenland sich positiv entwickelt, sind das natürlich gute Nachrichten", kommentierte der aus Indien stammende frühere Chefökonom der Weltbank, Kaushik Basu. "Aber es ist schockierend, dass Indien, das vor fünf Jahren noch einen 25-prozentigen Vorsprung hatte, jetzt zurückliegt."
Die Gründe für Bangladeschs erfolgreiche Aufholjagd sind vielfältig: Das Land profitiert von rund zehn Millionen Arbeitern im Ausland, die nach Schätzungen der Weltbank zuletzt insgesamt rund 20 Milliarden Dollar zurück in die Heimat schickten. Das entspricht fast sieben Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Zudem gelten Investitionen in das Sozial- und Bildungssystem als wesentliche Faktoren für den wirtschaftlichen Aufstieg. Doch eine zentrale Rolle spielte auch eine vielfach gescholtene Branche: Bangladeschs Textilindustrie.
Das wird diese Woche wichtig:
Garküche in Chiang Mai, Foto: Mathias Peer
THAILAND: Lange Zeit war Thailand im Kampf gegen das Coronavirus eines der Vorzeigeländer: Ein halbes Jahr lang gab es so gut wie keine Neuinfektionen. Doch kurz vor Weihnachten wurde ein Virusausbruch bekannt, der immer noch nicht unter Kontrolle ist. Die Behörden wollen die Ansteckungen nun mit zusätzlichen Restriktionen eindämmen. In der Hauptstadt Bangkok trifft es ab Dienstag das Gastgewerbe ganz besonders: Restaurants dürfen dann abends keine Gäste mehr empfangen. Bars und Entertainment-Betriebe sind bereits jetzt geschlossen.
INDIEN: Die indischen Gesundheitsbehörden haben am Wochenende eine Notfallzulassung für zwei Coronavirus-Impfstoffe erteilt. Damit ist der Weg frei für eines der größten Impfprogramme der Welt: Es wird erwartet, dass Indien diese Woche mit den ersten Impfungen beginnt. Bis August will das Land 300 Millionen Menschen impfen. Für den Start haben die Inder gut vorgesorgt: Der weltgrößte Impfstoffhersteller, das Serum Institute of India, hat bereits 80 Millionen Dosen des von AstraZeneca und der Oxford-Universität entwickelten Impfstoffs AZD1222 vorproduziert.
Video der Woche: Indiens Bauernproteste
Rund die Hälfte der 1,4 Milliarden Inder lebt von der Landwirtschaft. Ein großer Teil der Bauern leidet unter sinkenden Einkommen und steigender Verschuldung. Ende 2020 verabschiedete die Regierung von Premierminister Narendra Modi eine Gesetzesreform, die mithilfe von Deregulierung private Investoren in den Sektor locken soll. Sie erhofft sich dadurch auch steigende Einkommen für die Bauern. Doch diese fürchten mehrheitlich, dass sie durch die Reform noch schlechter gestellt werden – und protestieren deshalb seit Wochen gegen Modi. Worum es ihnen genau geht, erklärt dieses Video der US-Website Vox.
Viele Grüße aus Bangkok
Mathias Peer
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